Zurück zur Hauptseite

Das Tierschutzgesetz – ein Brief an den Weihnachtsmann?

Zum Beispiel Timmendorfer Strand

Im August 2002 kam es zu bislang nie dagewesenen Überschwemmungen durch orkanartige Regenfälle – auch im Bereich Timmendorfer Strand. Buchstäblich „alles“ stand unter Wasser, Keller liefen voll, Strassen waren unpassierbar.

Als Spaziergänger mit Hund begab ich mich in die Aalbeek-Niederung und sah dort rotbunte Rinder bis zum Bauch im Wasser stehen, ohne Nahrung, ohne irgendeinen trockenen Platz zum Liegen. Anwohner berichteten, „dass diese Rinder schon seit Wochen im Wasser stehen, manche seien schon in die Albeek abgestürzt und mussten an den Hörnern herausgezogen werden, eine Mutterkuh musste ihr Kälbchen im Wasser zur Welt bringen, die Tiere brüllten ständig vor Hunger- aber das ginge schon seit mehr als 10 Jahren so- die Aalbeekniederung sei eben ein Feuchtgebiet und wenn es überschwemmt wird, und das ist jedes Jahr mehrfach der Fall, dann stehen die Rinder eben im Wasser. Auch im Winter. Ab und zu liegen tote Tiere auf der „Weide“. Kürzlich sei auch ein Fohlen da verhungert. Der Besitzer der Tiere sei ein gewisser Willi K. aus Niendorf, gegen den habe man schon unzählige Male vergeblich Anzeige bei der Gemeinde (Timmendorfer Strand) wegen Verstosses gegen das Tierschutzgesetz erstattet.“ und: „Gegen den kann man nichts machen, der ist alteingesessen“.

Eine Anzeige wegen Verdachts des Verstosses gegen das Tierschutzgesetz an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Lübeck war schnell geschrieben und dazu eine Anzeige gegen K. und den Ordnungsamtsleiter F. wegen des Verdachts der Korruption. Wenn nämlich eins plus eins zwei sind und nicht drei oder zweieinhalb, dann war klar, dass K. „von oben“ geschützt wurde. Dieser „von oben“ war der Ortsamtsleiter, der mir auf Befragen wörtlich sagte: „ da ist alles in Ordnung“ und „das ist eben Robusthaltung“ und „wir stehen in ständigem Kontakt mit den Amtstierärzten. Die haben bisher an der Tierhaltung von K. nichts ausser ein paar Kleinigkeiten zu beanstanden gehabt. Man könne da auch nichts machen, weil das Veterinäramt in der Verantwortung stünde und nicht das Ordnungsamt.“

Also habe ich den zuständigen Amtstierarzt als mir Unbekannten mit in die Anzeige aufgenommen. Bei dem konnte es sich – ebenso wie bei dem Ortsamtsamtsleiter - nur um Amtspflichtverletzung handeln.

Ich konnte nur staunen, als mich Frau J. aus Scharbeutz anrief und mir Folgendes erzählte:

Auf einer Weide in Scharbeutz würden halb verhungerte Pferde gehalten, die K. gehörten. Sie stünden auf einem Areal, auf welchem ausser Brennesseln nichts an Futter vorhanden sei. Wasser gäbe es für die Pferde auch nicht.“

Sie berichtete mir, dass sie wegen dieser elenden Tierhaltung bei der örtlichen Polizei Anzeige gegen K. erstatten wollte. Der diensttuende Polizeibeamte Kr. sagte in Seelenruhe zu ihr: „ Sie können ja Anzeige erstatten. Die werde ich dann in der Luft zerreissen. Die landet ja eh im Papierkorb.“

Zur gleichen Zeit las ich in der Juliausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik einen Aufsatz von Karin Priester zu dem Thema Korruption und Demokratie. Darin konnte ich lesen, dass der Begriff Korruption im Wesentlichen die Unrechtsvereinbarung in sich birgt.

Was waren das für Vereinbarungen, die besorgte Bürger bei der Anzeige von Straftatbeständen behinderten?

Gab es in Timmendorf ein besonderes Recht, was es für den Rest der Republik nicht gab?

Zuschriften und Anrufe von besorgten und empörten Bürgern aus Timmendorfer Strand und Umgebung zeigten mir, dass gegen K. bislang trotz vieler Strafanzeigen nichts zu machen war. Wurde er von der örtlichen Gemeindeverwaltung und der Polizei geschützt ?

Wie war das im Detail möglich? Immer dann, wenn wegen einer Anzeige ein Amtstierarzt aus Eutin zur Beurteilung der ungewöhnlichen Tierhaltung von K. angefordert wurde, konnte dieser nichts Grossartiges feststellen, was gegen das Tierschutzgesetz hätte verstossen können. Die Tiere, um die es hier ging, sollen immer in guter Verfassung sprich: in einem guten Ernährungszustand gewesen sein.

Eines war klar, wenn eins plus eins zwei sind und so weiter ( siehe oben), dann wurde K. vor einer Besichtigung durch den Amtstierarzt rechtzeitig gewarnt.

Von wem wurde er gewarnt? Von einem Geheimagenten, den er in die Gemeindeverwaltung eingeschleust hatte? Auf welchem Schreibtisch kamen die unsäglichen Informationen, Beschwerden und Anzeigen gegen K. zusammen?

Die Pferde, die in Scharbeutz verelendeten, waren urplötzlich verschwunden. Komisch. Kein Amtstierarzt konnte sich von ihrem elenden Zustand überzeugen.

Ich erinnere mich an F. Dieser war vor vielen Jahren meiner Beschwerde über eine unsägliche Schafhaltung im Bereich Timmendorfer Strand nachgegangen, indem er den zuständigen Amtstierarzt Dr.Lutz W. gebeten hatte, sich „das mit den Schafen“ mal anzusehen. Dieser hat dann wohl dem Schäfer Auflagen gemacht, jedenfalls versanken die Tiere nicht mehr im Morast. Die bei Schafen dringend erforderliche Klauenpflege wird aber bis heute trotzdem nicht (ausreichend) durchgeführt.

Aber: Der Herr Ortsamtsleiter F. muss wohl dem Schäfer „gesteckt“ haben, dass ich es war, der den Amtstierarzt in Marsch gesetzt hatte. Jedenfalls traf ich dann irgendwann einen von den Schäfern, der tatsächlich versuchte, mich mit einer Eisenstange zu erschlagen. Ich denke, ich habe es meinen Schäferhunden zu verdanken, dass ich noch lebe...

Und ich „danke“ F. ganz herzlich dafür, dass er als einer, der dem Beamtengesetz verpflichtet ist, die Verschwiegenheitspflicht nicht als Pflicht empfunden hat.

Wie ich höre, werden Beamte, die in einer derartigen Weise das Beamtengesetz missachten- strafversetzt. F. ist immer noch Ordnungsamtsleiter.

Und der Bürgermeister Volker P., der mir telefonisch sofortigen persönlichen Einsatz i.S. Rinderhaltung durch K. zugesagt hatte, ist immer noch Bürgermeister.

Die couragierte Frau J. aus Scharbeutz rief mich am 17.11.02 an, um mir Mitteilung zu machen, dass Rinder von K. auf Gemeindegelände in der wieder mal überfluteten Albeekniederung im Morast „weiden“ und bis zum Bauch im Schlamm versinken. Futter sei nicht ausreichend vorhanden, kein Trinkwasser und kein Platz, auf welchem die Tiere trocken hätten liegen können. Auf einer Nebenweide würden Gallowayrinder vor Hunger brüllen. Sie würden nicht gefüttert und getränkt.

Ich habe mir mit Frau J., die Filmaufnahmen gemacht hatte, die „Weideverhältnisse“ angesehen und über 110 die Polizei gerufen. Die kam aber nicht. Nach einer Stunde des Wartens bin ich zusammen mit Frau J. zur Polizeiwache von Timmendorfer Strand gefahren. Dort traf ich auf den mir bekannten Polizeibeamten Udo M. und erstatte Anzeige gegen K. und andere nunmehr wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung mit dem Ziel das Tierschutzgesetz in Timmendorfer Strand auszuhebeln.

Wir fuhren dann alle zusammen zu den beanstandeten „Weideflächen“. Komisch: K. muss davon „Wind“ bekommen haben, jedenfalls blockierte er mit einem schweren Traktor mit Anhänger die Zuwegung, sodass weder die Polizeibeamten noch wir das Elend der Rinder nochmals in Augenschein nehmen konnten.

Kann es sein, dass K: von dem Polizeibeamten Udo M. gewarnt worden war?

Die Sache mit der Anzeige wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung stand dann auch prompt und ziemlich authentisch in den Lübecker Nachrichten und ziemlich verdreht in BILD.

Inzwischen hatte das NDR-Fernsehen recherchiert und sich mit der Tierhaltung von K. befasst. Man hatte nachgeforscht: es stimmte, was mir zugetragen worden war: Die Gemeinde hatte Interesse an Grundstücken von K., die dieser aber nicht hergeben wollte, jedenfalls nicht zu dem ihm angebotenen Preis.

Der FDP-Politiker und Lehrer H. und der Vertreter der Grünen , der Tierarzt Dr. Felix B., hatten sich mir gegenüber über derartige „Zusammenhänge“ geäußert.

Wenn also eins plus eins nicht drei sind ( siehe oben), dann konnte in der Verquickung von Gemeindeinteressen und dem Jedermann bekannten rücksichtslosen Verhalten von K. gegenüber seinen Tieren der „Knackpunkt“ liegen.

Bürgermeister P. streitet das lt. Lübecker Nachrichten vehement ab. Ich glaube ihm nicht. Aber, entweder er wusste tatsächlich nichts, dann gehört er nicht auf den Stuhl eines Bürgermeisters in Timmendorfer Strand, oder er lügt. Dann gehört er erst recht nicht auf diesen Stuhl.

Heute scheint mir in Timmendorfer Strand die Omerta, also das uns sehr wohl bekannte Gesetz des Schweigens durchbrochen zu sein. Landwirte aus Timmendorf ( Dieter F. und C. von R. aus Hemmelsdorf) haben sich bereit erklärt, die Rinder von K. aus ihrem Elend zu befreien und sie in einem vernünftigen Winterstall unterzubringen.

Der zuständige Amtstierarzt Dr. Lutz W. muss dann nur noch bestätigen, was alle schon längst wissen: es gibt ein Tierschutzgesetz und die EU-Richtlinien für die Rinderhaltung. Daneben gibt es, was jeder, auch der mit der geringsten Schulbildung, längst weiß: Rinder müssen auf geeignetem Boden gehalten werden. Sie müssen täglich mit Wasser und in der kalten Jahreszeit, wenn Gras und Kräuter nicht wachsen, auch mit Futter versorgt werden. Darüber hinaus benötigen sie wie Schafe übrigens auch, einen Winterstall, der ihnen Schutz vor all zu schlechter Witterung gewährt. Hier können die bekannten Gallowayrinder eine Ausnahme machen. Ihr Fell ist so dicht, dass sie lt. Auffassung von Fachleuten keinen Stall benötigen, was ich bezweifle. Wir haben in Schleswig-Holstein kein schottisches Hochland, wo frei laufende Rinder bei all zu schlimmer Witterung Schutz in Felsniederungen finden. Zudem ist der Boden im schottischen Hochland steinig-fest, sodass die Tiere nicht auf einem durchweichten Boden stehen müssen. Dort gibt es auch viel Wasser, sprich: Quellbäche.

Alle Lebewesen brauchen Schutz vor all zu schlechter Witterung. Wie ich höre, sollen aber die Uhren in manchen Bereichen Schleswig-Holsteins anders gehen...

Zurückkommend auf den Amtstierarzt Dr.Lutz W. und seinen erwarteten Einsatz, dürfte die Tierhaltung von Willi K. in Timmendorfer Strand ein sofortiges Ende haben.

Es bliebe dann noch die Frage nach der Gerechtigkeit. Die FAQ´s, die sich hier stellen, sind folgende:

Wo sind die unzähligen Beschwerden und Anzeigen gegen K. hingekommen?

Wer hat sie gelesen und/ oder in den „Mülleimer“ befördert?

Was macht man mit Amtsträgern, die korrupt sind und sich einen Dreck um den Tierschutz kümmern?

Schlussendlich zitiere ich meinen Amtskollegen Dr. Lutz W. der mir am Telefon versicherte, dass er überglücklich über meine Schritte an die Öffentlichkeit sei: „Ich gratuliere Ihnen von Herzen“ und „ Wir sind die Berufenen für den Tierschutz.“

Ähnlich äußerte sich mein Berufskollege Dr. Felix B. : „Ich bewundere Sie..“

Neben der Gratulation „von Amtes wegen“ und der Bewunderung bzw. dem mentalen Schulterklopfen, welches ich mit aufrechtem Dank entgegennehme, bin ich nicht sehr glücklich über das, was die Schulleiterin der Grundschule Niendorf/Ostsee, Frau Dorothea J. mir gegenüber äußerte: „ du hast ja einen Sprung in der Schüssel.“

Auf mein Nachfragen, wieso das denn, sagte sie: „ du kannst hier Viele fragen, die meinen auch, dass du wirklich einen Sprung in der Schüssel hast.“

Mir ist klar, dass Tierschutz kein Unterrichtsfach in Grundschulen ist. Und ich weiß auch, dass viele Menschen das Rind lediglich von dem Steak auf ihrem Teller her kennen. Was aber in Zukunft für diese Gesellschaft mit größter Anstrengung erarbeitet werden muss, ist der Umgang mit dem Tierschutzgesetz und der Würde der Tiere, die von manchen Religionsvertreter als „Mitgeschöpfe“ besonders in der Weihnachtszeit besungen werden.

Wenn wir unseren Kindern nicht die notwendige Achtung vor der Kreatur beibringen, dann wird es in hundert Jahren immer noch elende Tierhaltung, elende Tiertransporte, elende Massentierhaltung von Schweinen, Hühnern und Gänsen geben und diese werden bei der Schlachtung lebendig an den Haken gehängt.

 

Dirk Schrader

-Tierarzt-
Zurück zur Hauptseite