Zurück zur Hauptseite

Gentechnik - keine Hilfe für die Hungernden

Weltweit hungern über 815 Millionen Menschen. Dabei wird genug Nahrung produziert. Laut Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, könnten die derzeitigen Erträge 12 Milliarden Menschen ernähren. Auf der Erde lebt nur etwa die Hälfte. Die tatsächlichen Ursachen für Hunger sind soziale und politische Bedingungen wie Armut, kein Zugang zu Land, Wasser und Saatgut, unfaire Handelsbedingungen oder Kriege.

Gen-Pflanzen sind dabei keine Lösung, sondern sorgen für weitere Probleme. Das liegt zum einen an der inzwischen überholten Grundannahme: ein Gen - eine Wirkung. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ist ein Gen jedoch nicht nur für eine Funktion verantwortlich, wie zum Beispiel Wachstum, sondern kann viele verschiedene Prozesse beeinflussen, die wiederum mit anderen Genen zusammenhängen. Die Wechselwirkungen sind sehr komplex und der Wissenschaft weitgehend unbekannt. So werden zum Beispiel Ratten-Gene in Salat hinein manipuliert. Niemand kann vorhersagen, welche Gefahren dies für Gesundheit und Umwelt hat.

Doch auch für Landwirte können Gen-Pflanzen böse Überraschungen bergen. Auf dem Acker können sich nämlich Folgen zeigen, mit denen ihre Erfinder nicht gerechnet haben, die für die Bauern jedoch wirtschaftliche Katastrophen bedeuten. Auch sind die High-tech Pflanzen empfindlich und benötigen aufwändige Pflege, die sich viele Bauern in der Dritten Welt nicht leisten können. Indische Bauern zum Beispiel erhofften sich bessere Erträge durch genmanipulierte Baumwolle des Konzerns Monsanto. Doch die Gen-Baumwolle erwies sich als Reinfall. Die Pflanzen litten unter der Hitze mehr als die herkömmlichen Sorten und verdorrten auf den Feldern. Auch waren die teuren Gen-Pflanzen extrem anfällig für Schädlinge und Viruskrankheiten.

Da verwundert es nicht, dass sich die Hoffnungen auf Lösungen durch die Gentechnik als Luftschlösser entpuppen. Bekanntes Beispiel ist ein mit Vitamin A angereicherter Reis. Die Manipulation greift stark in den Stoffwechsel der Reispflanze ein. Unklar ist, ob und welche ungewollten Nebeneffekte in der Pflanze entstehen. Die Forscher hatten zum Beispiel erwartet, rote Reiskörner zu erhalten - statt dessen waren sie jedoch gelb gefärbt. Hinzu kommt, dass der Vitamin A-Gehalt der Reiskörner viel zu gering ist, um Mangelerscheinungen zu heilen. Die Forscher wollen den Gehalt nun verdreifachen, aber sie gehen selbst nicht davon aus, dass der Reis dann den Bedarf deckt. Dies entspricht den Zahlen von WHO und FAO, nach denen eine Provitamin A-Versorgung auf diese Weise kaum vorstellbar ist.

Hoffnungen zerstört auch der Blick nach Argentinien, das nach den USA die meisten Gen-Pflanzen anbaut, in dem aber auch der Hunger zunimmt. Die Gen-Pflanzen trieben das Land weiter in eine Export orientierte, von Großbetrieben beherrschte Landwirtschaft. Davon profitieren nur einige Wenige, während große Teile der Bevölkerung hungern. Auch die Versprechungen der Industrie, die Gen-Soja bringe höhere Erträge ein, bewahrheitete sich weder in Argentinien noch in den USA.

Schwere Folgen für die Welternährung drohen zudem durch die Verschmutzung lokaler und alter Pflanzen-Sorten mit Gentechnik. Denn alle landwirtschaftlichen Nutzpflanzen wurden vor Tausenden von Jahren aus ihren wilden Verwandten gezüchtet. Die Landwirtschaft braucht auch heute eine Vielfalt von Pflanzen, um daraus neue Pflanzensorten zu züchten, die sich dem ändernden Klima, Schädlingen und Krankheiten anpassen.

In Mexiko fanden Wissenschaftler und die Regierung in den vergangenen Jahren einheimische Maissorten, die gentechnisch verschmutzt sind. Mexiko ist eine der Regionen, in denen der Mais seinen Ursprung hat. Hier gibt es hunderte Sorten Mais, die sich insbesondere zur Züchtung von Pflanzen eignen, die auch unter schwierigen Bedingungen gedeihen. Die Verschmutzung ist daher besonders dramatisch. Die künstlichen Gene stammen vermutlich aus importierten Gen-Mais aus den USA.

Natürlich gibt es bei der landwirtschaftlichen Produktion viel zu verbessern. Denn wollen wir die zukünftigen Generationen ernähren, brauchen wir sauberes Wasser, gesunde Böden und eine Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Fortschritt bedeutet nicht den Einsatz von uniformer und gefährlicher Technik, die große Profite für die Industrie bringt. Fortschritt bedeutet vielmehr Lösungen zu finden, die die Lebensbedingungen aller Menschen verbessern. Dazu müssen sie den lokalen und kulturellen Bedürfnissen optimal angepasst sein. Die ökologisch nachhaltige Landwirtschaft bietet hier ein enormes Potenzial und wird von viele Menschen in den Entwicklungsländern bereits erfolgreich genutzt. Noch haben wir die Wahl, uns für eine Landwirtschaft ohne Gentechnik zu entscheiden.

Ulrike Brendel, Greenpeace Hamburg


Zurück zur Hauptseite