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Desmond Tutu

Erzbischof Desmond Tutu fordert zum weltweiten Boykott Israels auf.

Die meisten deutschen und europäischen Medien haben es schlicht und einfach unterschlagen. Dabei war es durchaus etwas Ungewöhnliches, was der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu Mitte August (2014 d.Red) einer israelischen Zeitung zum Konflikt Israel-Palästina sagte. Aber es passt den westlichen Mediengewaltigen halt nicht in ihr propagandistisches Konzept.

Der Exklusivartikel des 83-jährigen anglikanischen Geistlichen und Friedensnobelpreisträgers, der am 14. August von der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ veröffentlicht wurde, erschien unter der Überschrift: „Mein Appell an das Volk Israels: Befreit euch, indem ihr Palästina befreit“.

Dass die Zeitung ihn der israelischen Öffentlichkeit zur Kenntnis brachte, zeugt sicherlich vom Mut der verantwortlichen Redakteure dieses Blattes. Denn Tutu unterzieht die israelische Politik darin einer scharfen Kritik und fordert unter Berufung auf die Erfahrungen Südafrikas im Kampf gegen das rassistische Apartheid-System zu einem weltweiten Boykott gegen Israel auf.

Eingangs verweist der inzwischen emeritierte südafrikanische Kirchenmann, der sich gegenüber dem ANC wiederholt kritisch positioniert hat, auf die weltweiten Protestaktionen gegen den Gaza-Krieg, den er als „Israels unverhältnismäßig brutale Reaktion auf die Raketenabschüsse aus Palästina“ bezeichnet. Die weltweiten Demonstrationen dagegen, von Kapstadt bis Washington und New York und London bis Neu-Delhi und Sidney seien „der größte öffentliche Aufschrei für ein einzelnes Anliegen in der Geschichte der Menschheit“ gewesen.

Anschließend teilt Bischof Tutu mit, dass er als Redner auf der Großkundgebung in Kapstadt die Menge dazu aufgefordert habe, in den Ruf einzustimmen: „Wir sind gegen die Ungerechtigkeit der illegalen Besetzung Palästinas. Wir sind gegen das willkürliche Morden im Gazastreifen. Wir sind gegen die Erniedrigung von Palästinensern an Kontrollpunkten und Straßensperren. Wir sind gegen die von allen Beteiligten begangenen Gewalttaten. Aber wir sind nicht gegen Juden.

Weiter heißt es in dem Artikel: „Uns Südafrikanern sind Gewalt und Hass nicht fremd... Wir wissen aber auch um die Vorteile, die uns der Dialog zwischen unseren Staatsführern schließlich gebracht hat; als das Verbot angeblicher „terroristischer“ Organisationen aufgehoben und ihre Anführer, darunter Nelson Mandela, aus Haft, Verbannung und Exil entlassen wurden“. Entscheidend für die Überwindung des Apartheidregimes sei letztlich „die Mischung aus überzeugenden gewaltfreien Mitteln“ gewesen, die damals eingesetzt wurden, um Südafrika wirtschaftlich, akademisch, kulturell und psychologisch zu isolieren. Ab einem gewissen Zeitpunkt habe die damalige Regierung begriffen, dass die Kosten der Aufrechterhaltung der Apartheid „den Nutzen eindeutig überstiegen“.

In Anwendung auf die heutige Situation stellt Tutu fest: „Diejenigen, die weiter mit Israel Handel treiben... tun den Menschen in Israel und Palästina damit keine Gefallen. Sie tragen damit nur zum Fortbestand eines zutiefst ungerechten Status quo bei. Diejenigen, aber, die dazu beitragen, Israel für eine gewisse Zeit zu isolieren, sagen damit, dass Israel und Palästinenser ein gleichwertiges Recht auf Würde und Frieden haben.“

Der südafrikanische Geistliche betont, dass die Bewohner Israels „nicht das friedliche und sichere Leben“ haben werden, „nach dem sie sich sehnen und auf das sie ein Anrecht haben, solange ihre Führung Bedingungen aufrechterhält, die den Konflikt am Leben erhalten“. Raketen, Bomben und ungehobelte Schmähungen seien nicht Teil einer Lösung. „Es gibt keine militärische Lösung“. Die Lösung könne eher „in dem gewaltlosen Instrumentarium liegen, das wir in den 1980ern in Südafrika entwickelt haben, um die Regierung von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihre Politik zu ändern. Der Grund dafür, dass dieses Instrumentarium – Boykott, Sanktionen und Kapitalabzug – sich letztendlich als effektiv erwiesen hat, war, dass es eine kritische Masse an Unterstützung erhielt, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes.“

Dementsprechend fordert Bischof Tutu die Menschen in Israel zum Umdenken auf: „Ein Umdenken mit der Erkenntnis, dass jeder Versuch, den gegenwärtigen Status quo aufrechtzuerhalten, künftige Generationen zu Gewalt und Angst verdammt. Ein Umdenken, das damit bricht, legitime Kritik an der Politik eines Staates als Angriff auf das Judentum zu verstehen. Ein Umdenken, das zu Hause beginnt und sich über über Gemeinschaften und Länder und Regionen ausbreitet. Das Streben danach, die Menschen in Palästina von der Demütigung und Verfolgung durch die Politik Israels zu befreien, ist ein gerechtes Anliegen. Die Menschen in Israel sollten dieses Anliegen unterstützen.“

(Artikel im Original in Haaretz, englisch: http://www.haaretz.com/opinion/1.610687)

Georg Polikeit

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