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Union der Feigheit

Von Uli Gellermann

Zwölf Stunden saß der bolivianische Präsident Evo Morales im EU-Knast, weil die Vereinigten Staaten glaubten, Edward Snowden befinde sich an Bord seiner Maschine. Gegen jedes Völkerrecht verweigerten europäische Vasallen-Staaten dem Bolivianer den Überflug, durchsuchten Beamte des österreichischen Duodez-Staates kühn dessen Flufzeug nach jenem Mann, der den Europäern die Wahrheit über ihren Rang offenbarte: Objekte der unerträglichen Spitzelei der USA und des mit ihr verbündeten Großbritannien zu sein, dem sie kurz zuvor mal wieder einen Preisnachlass auf EU-Mitgliedschaft gegeben hatten.

Mit welchem freiwilligen Zwergentum haben wir es hier zu tun? Da ist zunächst Faymann-Werner, der so tapfer seine Grenzbeamten in Morales Flugzeug abkommandierte. Er ist der erste Kanzler der Republik Österreich, gegen den strafrechtlich ermittelt wird – natürlich in einer Medien-Korruptionssache. Zur dortigen „Kronenzeitung“ schaute hiesige „Bild“ bewundernd auf: So hinterfotzig wäre sie auch gern.

Es war die spanische Regierung unter Mariano Rajoy, die auf eine Durchsuchung des Flugzeugs gedrängt hatten, sich aber immer noch der Offenlegung der Franco-Verbrechen verweigerte. Rajoy selbst begann seine Karriere in spanischen Liegenschaftsämtern, wo der übliche spanische Bauskandal seinen Anfang nahm und kein Ende findet. Nun ist er die Sumpfblüte einer Partei, die an Perma-Korruption krankt und mit ihrer Nähe zum düstersten Flügel des Katholizismus das Mittelalter nicht verlassen hat.

Der nächste Überflugsverweigerer ist Enrico Letta. In der italienischen Version der Jungen Union groß geworden, ist er die bleiche Verkörperung der Büroklammer auf zwei Beinen, Er gehört zu den Partei-Züchtern des Partido Democratico, einer Partei, die kontinuierlich vor Berlusconi einknickte. Jetzt sitzt er einem Italien vor, dass noch immer eine große Geschichte hat, aber kaum noch eine politische Zukunft. Geschweige denn eine demokratische Ehre.

Ach, Pedro Passos Coelho ist portugiesischer Premierminister! Zwar laufen ihm gerade die Minister weg, zwar hasst ihn sein Volk als Gehilfe der Merkelschen Sparpolitik, zwar hat er kein noch so kleines Konzept für das wirtschaftlich und sozial kaputte Portugal, aber für ein Fummeln an den Überflugrechten langt der Mut des ehemaligen Finanzmanagers allemal.

Und warum hat sich der ungelenke Franzose damals freiwillig zum Wehrdienst gemeldet – trotz Ausmusterung? Patriotismus war es wohl kaum, sonst hätte Francois Hollande die Franzosen nicht mit seiner Präsidentschaft behelligt. Er, der so ziemlich jedes Wahlversprechen brach, musste in Mali militärisch eingreifen, weil seine Umfragewerte sanken. Vielleicht könnte vergossenes Blut in fremden Ländern seine Unfähigkeit übertünchen.

Und schließlich: Angela die Freiheitskämpferin. Als es um einen Platz für Snowden ging, lagen für sie „die Voraussetzungen für eine Aufnahme“ nicht vor. Keine Mauer-Feier ohne Merkel. Aber jetzt, als eine kleine Geste der der Freiheit möglich und notwendig gewesen wäre: Bürokratisches Geseire einer Kanzlerin, die klug erscheinen möchte und doch nur raffiniert ist.

Die EU war mal ein Projekt der Freiheit. Freiheit der Grenzen, Freiheit der Meinungen und auch ein wenig Freiheit gegenüber den USA standen auf der Agenda der vereinten Europäer. Jetzt darf man getrost von der Union der Feigheit reden. Von der Union der Schande. Von der Union, die sich selbst aufgegeben hat.

Uli Gellermann ist Journalist und Filmemacher

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