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Englands bester Mann

Von Harry Nutt


Noch immer überwiegt der Zorn auf Margaret Thatcher

Es sind keineswegs nur sentimentalische Erinnerungen an eine Welt, in der die Eiserne Lady regierte, die nun in den zahlreichen Nachrufen auf die im Alter von 87 Jahren gestorbene frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher zum Ausdruck kommen. Nicht wenigen Kommentatoren merkt man den noch immer glühenden Zorn auf eine Politikerin an, der man vorwirft, die britische Gesellschaft gespalten zu haben. Es ist nicht der Zeitpunkt, zu feiern, sagt der Folk-Sänger Billy Bragg, der Anfang der 80er Jahre vor allem wegen seiner Anti-Thatcher-Songs berühmt geworden war und gewissermaßen die Gegnerschaft zu Thatcher in die Sphären des Pop hievte.

Die kulturelle Elite des Landes bekundete damals demonstrativ nicht länger auf Maggies Farm arbeiten zu wollen. „Der Tod von Margaret Thatcher erinnert mehr oder weniger auffällig daran“, schreibt Billy Bragg nun in einem Blog des Calgary Herald , „wie Großbritannien in die missliche Lage geriet, in der es sich heute befindet. Dazu gehören zum Beispiel, dass hart arbeitende Menschen trotz Job nicht mehr dazu in der Lage sind, ihre Familien zu ernähren“.

Glen Greenwald stellt Thatcher im Guardian nicht nur in sozialer Hinsicht ein verheerendes Zeugnis aus. Sie habe eine Schlüsselrolle bei den Zuspitzungen gespielt, die schließlich auf den ersten Golf-Krieg hinausliefen. Und im Vorfeld des Irakkriegs von 2003 habe sie ihren Einfluss abermals geltend gemacht. Ferner habe sie Nelson Mandela als Terroristen denunziert und Freundschaften mit so zweifelhaften Tyrannen wie Augusto Pinochet, Saddam Hussein und dem indonesischen Diktator Suharto unterhalten. „Über Großbritannien hinaus ist Thatcher“, schreibt Greenwald, „bis heute für all die Schäden gehasst, die sie angerichtet hat: für die politische Legalisierung einer ungezügelten Gier, die Privatisierungen mit der Folge von Ungleichheit und dem Zusammenbruch des Sozialen.“

Ralf Sotchek, langjähriger, in Irland lebender, Großbritannien-Korrespondent der taz , ist ebenfalls nicht besonders galant in seiner Bilanz der Thatcher-Jahre. „Für die Frauenbewegung interessierte sie sich nie, lediglich eine Frau schaffte es während Thatchers langer Amtszeit ins Kabinett. US-Präsident Ronald Reagan bezeichnete Thatcher als „Englands besten Mann“. Dank Thatcher ist das Wort „handbagging“ in den englischen Wortschatz eingegangen – sie hatte ihre Handtasche stets wie eine Waffe auf dem Tisch postiert. Das Wort bedeutet, etwas rücksichtslos durchsetzen, so wie sie die Bergarbeiter mit kaum verhohlener Schadenfreude unterbutterte. Mit der Kopfsteuer verabschiedete sie sich endgültig von dem Prinzip, dass Reiche mehr Steuern zahlen sollen als Arme. Die FAZ weiß immerhin, dass Thatcher auch geliebt worden sei. Und zwar für den Satz: The Lady´s not for turning. Was so viel heißt wie: Die Dame lässt sich nicht verbiegen.“ FR 10. April 2013

Harry Nutt ist Journalist und Publizist.

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