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Sport als Spektakel für Zuschauer
 

In unserer Gesellschaft gibt es Bereiche, auf die man seine Intelligenz richten könnte, wie z.B. Politik; da die Menschen sich hier aber nicht sinnvoll engagieren können, wenden sie sich anderen Dingen zu, wie dem Sport. Man ist zum Gehorsam erzogen worden, hat keinen besonders interessanten Beruf, auch andere kreative Beschäftigungsmöglichkeiten fehlen, im kulturellen Milieu ist man passiver Beobachter irgendwelcher aufgedonnerter Shows, das politische und soziale Leben liegt in den Händen der Reichen. Was bleibt also? Eben der Sport, als eine Möglichkeit. Also wendet man seine Intelligenz, sein Denken, sein Selbstvertrauen darauf. Und darin besteht wahrscheinlich auch eine der grundlegenden Funktionen des Sports in der Gesellschaft: Er beschäftigt die Bevölkerung und hält sie davon ab, sich mit wichtigeren Dingen zu befassen Auch aus diesem Grund werden Sportspektakel, die viele Zuschauer anziehen, von den herrschenden Institutionen in einem beträchtlichen Ausmaß unterstützt.

Diese Spektakel erfüllen noch andere nützliche Aufgaben. So sind sie eine Art Königsweg zum Chauvinismus - schon früh beginnt man damit, diese völlig irrationalen Anhänglichkeiten zu entwickeln, die sich dann ganz mühelos auf weite Bereiche ausdehnen lassen. Ich weiß noch ganz genau, wie ich in der Highschool ein plötzliches Erlebnis hatte, eine jähe Einsicht: Ich fragte mich nämlich, warum ich mich so freue, wenn das Footballteam meiner Schule gewinnt. Ich kenne doch keinen aus der Mannschaft, und keiner von ihnen kennt mich. Wenn ich ihnen begegnete, wüsste ich gar nicht, was ich sagen soll. Warum bin ich so aufgeregt, wenn sie gewinnen, und so niedergeschlagen, wenn sie verlieren? Von klein auf an wurde uns beigebracht, dass wir uns um die Philadelphia Phillies - ich bin in Philadelphia groß geworden - Sorgen machen müssten. Offensichtlich litt ich, wie andere Jungen meines Alters, die in Philadelphia aufwuchsen, an mangelndem Selbstvertrauen, weil in allen Sportarten unsere Mannschaft immer auf dem letzten Platz landete, und das ist immer ein harter Schlag für das Ego, weil sich die Leute dann über einen lustig machen.

Aber diese irrationale Loyalität gegenüber einer Gemeinschaft, die für einen selbst gar keine Bedeutung hat, bereitet einen darauf vor, sich der Macht und dem Chauvinismus unterzuordnen. Und natürlich schaut man bei den großen Spektakeln Gladiatoren zu, Typen, die etwas können, was selbst nie zu leisten vermöchte - beim Stabhochsprung die Fünfmetersiebzig zu überqueren und all diese verrückten Dinge. Und diese Gladiatoren kämpfen für deine Sache, also musst du ihnen zujubeln und dich freuen, wenn der gegnerische Quarterback verletzt vom Platz getragen wird. All das stärkt die extrem antisozialen Aspekte des menschlichen Seelenlebens. Aber bei den Sportspektakeln werden sie besonders betont und übertrieben: irrationaler Wettbewerb, irrationale Loyalität gegenüber Machtsystemen, passive Hinnahme ganz schrecklicher Werte. Kaum etwas anderes trägt so sehr zur Ausbildung autoritärer Einstellungen bei.

Insgesamt also spielt der Sport als Zuschauerspektakel eine sehr wesentliche gesellschaftliche Rolle. Aber es gibt noch andere Dinge, die ähnlich gelagert sind, wie z.B. Seifenopern. Hier lernen die Zuschauer andere Arten von Passivität und Absurdität. Eine wirklich eingehende Medienkritik müsste sich mit diesem und ähnlichen Phänomenen befassen, weil sie in den Medien die Hauptrolle spielen - es geht ja nicht darum, politisch gebildeten Leuten die Lage in El Salvador nahe zu bringen, sondern die Bevölkerung von den wirklich wichtigen Dingen abzulenken. In dieser Hinsicht weist die von Ed Herman und mir geleistete Auseinandersetzung mit den Medien Mängel auf- wir haben die Unterhaltung zu wenig berücksichtigt. Aber gerade sie gehört zum Indoktrinations- und Propagandasystem.